Frage 1: Seit knapp 20 Jahren sind Sie Leiter Nachhaltige Geldlanlagen Ihrer Bank. Welchen Impuls versprechen Sie sich von der sozialen Taxonomie in Bezug auf die Wahrnehmung der sozialen Verantwortung von Unternehmen?
Dr. Wulsdorf: Die soziale Taxonomie ist eine wichtige und notwendige Ergänzung der ökologischen Taxonomie. Nachhaltigkeit ist schließlich mehr als Umwelt und Klima. Soll Kapital für die Große Transformation mobilisiert werden, dürfen deren soziale Anforderungen nicht vernachlässigt werden. Die EU wird vor allem, aber nicht nur mit Blick auf Arbeits- und Menschenrechtsfragen definieren müssen, was nachhaltig ist und was nicht. In welche Richtung die Reise geht, zeigt sich beispielsweise anhand des so genannten Lieferkettengesetzes.
Frage 2: Sie verantworten die Umsetzung der christlichen Wert(e)orientierung innerhalb ihrer Bank. Welches sind die drei größten Hürden, auf die Sie dabei stoßen?
Dr. Wulsdorf: Die Regulatorik ist nicht zu unterschätzen, wohlwissend, dass sie der Motor für die derzeitige Dynamik von Sustainable Finance ist. Schwierig erweist sich allerdings, dass die Regulatorik von der Finanzwirtschaft Informationen und Bewertungen einfordert, die die Realwirtschaft zum Teil noch gar nicht bereitstellt inbesondere seitens kleiner und mittelständischer Unternehmen. Das gleiche Problem stellt sich in der Sozialwirtschaft, was vor allem uns als Kirchenbank betrifft. Darüber hinaus haben sich für den sozial-ökologischen Impact von Investitionen und Krediten bislang noch keine Standards durchgesetzt. Hier ist noch Luft nach oben.
Frage 3: Aktuell wird diskutiert, die soziale Taxonomie in gleicher Weise wie die ökolgische Taxonomie auszugestalten und klare Regeln für sozial nachhaltige Wirtschaftstätigkeiten aufzustellen. Welche Chancen und welche Schwierigkeiten würden Sie erwarten, wenn man dieser Forderung nachkäme?
Dr. Wulsdorf: Bei der Taxonomie geht es um Kriterien, anhand der man ökologische und soziale Nachhaltigkeit festmachen kann. In Bezug auf das Klima gibt es Indikatoren, die die Problematik abgreifen – etwa den CO2-Ausstoß. Bei sozialen Kriterien gestaltet sich das Problem deutlich schwieriger, zumal hier bislang wissenschaftlich fundierte, allgemein anerkannte Mess- und Bewertungsverfahren fehlen. Sie sind erforderlich, um das Thema Sustainable Finance weiter voranzubringen. Transparenz ist und bleibt hierfür einer der zentralen Bausteine.
Dr. Helge Wulsdorf ist Referent im Workshop Die soziale Taxonomie – das unbekannte Wesen