Frage: Produktbezogene Nachhaltigkeitsaussagen haben Konjunktur. Dennoch fehlt es an Wissen über das Verständnis und die Wirkung dieser Aussagen bei den Konsumenten. Was bewegt Sie, in diesem Bereich zu forschen?
Um den Wandel hin zu nachhaltigem Konsum zu befördern, ist es notwendig alle Konsumentinnen und Konsumenten abzuholen. Dabei ist Verständlichkeit von Nachhaltigkeitsaussagen eine wesentliche Voraussetzung, um die Informationen auch in nachhaltige Handlungen umzuwandeln. Jedoch besteht immer noch eine große Lücke zwischen der bekundeten Kaufabsicht und dem realen Verhalten. Besonders die Herausforderung, diese sogenannte Intention-Action-Gap mit effektiver Nachhaltigkeitskommunikation und Verhaltensanreizen zu schließen, macht die Forschung in diesem Bereich so spannend.
Frage: Durch welche Eigenschaften zeichnen sich empfehlenswerte Nachhaltigkeitsaussagen in der Produktkommunikation aus? Geben Sie uns doch bitte zwei Beispiele für besonders gute und weniger geeignete Aussagen!
Empfehlenswerte produktspezifische Nachhaltigkeitsclaims sind einerseits standardisiert, das heißt sie sind durch standardisierte und wissenschaftlich anerkannte Prüfmethoden untermauert und (von unabhängigen Zertifizierungsorganisation) geprüft worden. Transparenz ist ein weiterer wesentlicher Qualitätsfaktor. Wenn die verwendeten Informationen von Konsument:innen einsehbar sind, kann das positive Effekte auf die Glaubwürdigkeit der getroffenen Nachhaltigkeitsaussagen haben. Nicht zuletzt sollten Produktclaims spezifisch, genau und zutreffend formuliert sein, um aufgrund von fehlender Wesentlichkeit Greenwashing Vorwürfe zu vermeiden.
Ein Paradebeispiel aus dem Universum der Nachhaltigkeitsclaims ist „Mehrweg“, das klaren Verwendungsbestimmungen unterliegt und bereits gut in der Kommunikation etabliert ist. Dahingegen ist der Begriff „Zero Waste“ nicht empfehlenswert, da er suggeriert, dass keine Abfälle entlang des Produktlebenszyklus entstehen, was irreführend ist.
Der Produktclaim „aus fairem Handel“ ist ein gutes Beispiel dafür, wie differenziert Nachhaltigkeitskommunikation sein kann, da diese Aussage sowohl auf Unternehmens- sowie auch auf Produktebene verwendet wird. Es empfiehlt sich jedoch, diesen Claim nur mit ergänzender Nennung des genutzten Standards (z.B. Fair Trade Siegel) zu verwenden. Der Claim „sozialverträgliche Lieferkette“, wie sie durch das 2023 in Kraft tretende Lieferkettengesetz reguliert wird, eignet sich hingegen nicht für die Endkundenkommunikation, da die Einhaltung dieser Standards als Selbstverständlichkeit angesehen werden sollten.
Frage: Wie hat sich das Verständnis für Nachhaltigkeitsaussagen seit ihrer ersten Studie 2014 entwickelt?
Im Vergleich zur ersten Befragung im Jahr 2014, hat die Verständlichkeit und Kaufrelevanz der betrachteten Nachhaltigkeitsclaims zugenommen. Es lassen sich kaum Verständnisunterschiede nach soziodemografischen Kriterien feststellen. Unabhängig von Geschlecht und Bildungsniveau hat sich die Verständlichkeit über alle Altersstufen hinweg verbessert. Es zeigen sich jedoch Unterschiede auf individueller Ebene der Claims. Von den insgesamt 20 abgefragten Claims wurde 8 aus der Studie aus 2014 wieder aufgenommen. Vor allem klimarelevante Claims wie „klimaneutral“ und „CO2-kompenisert“ sind aufgrund ihrer geringen Verständlichkeit und Kaufrelevanz noch wenig akzeptiert. Dies verdeutlicht die steigende Wahrnehmung und Relevanz der nachhaltigkeitsbezogenen Produktaussagen. Es ist deshalb umso wichtiger, eine transparente und effiziente Kundenkommunikation bei der Verwendung der Green Claims anzustreben.
Prof. Dr. Manfred Kirchgeorg und Jessica Mazurek sind ist Referenten im Workshop Augen auf bei Green Claims!