Drei Fragen an Professor Manfred Kirchgeorg und Jessica Mazurek

Drei Fragen an Professor Manfred Kirchgeorg und Jessica Mazurek

Frage:  Produktbezogene Nachhaltigkeitsaussagen haben Konjunktur. Dennoch fehlt es an Wissen über das Verständnis und die Wirkung dieser Aussagen bei den Konsumenten. Was bewegt Sie, in diesem Bereich zu forschen?  

Um den Wandel hin zu nachhaltigem Konsum zu befördern, ist es notwendig alle Konsumentinnen und Konsumenten abzuholen. Dabei ist Verständlichkeit von Nachhaltigkeitsaussagen eine wesentliche Voraussetzung, um die Informationen auch in nachhaltige Handlungen umzuwandeln. Jedoch besteht immer noch eine große Lücke zwischen der bekundeten Kaufabsicht und dem realen Verhalten. Besonders die Herausforderung, diese sogenannte Intention-Action-Gap mit effektiver Nachhaltigkeitskommunikation und Verhaltensanreizen zu schließen, macht die Forschung in diesem Bereich so spannend.  

Frage:  Durch welche Eigenschaften zeichnen sich empfehlenswerte Nachhaltigkeitsaussagen in der Produktkommunikation aus? Geben Sie uns doch bitte zwei Beispiele für besonders gute und weniger geeignete Aussagen!  

Empfehlenswerte produktspezifische Nachhaltigkeitsclaims sind einerseits standardisiert, das heißt sie sind durch standardisierte und wissenschaftlich anerkannte Prüfmethoden untermauert und (von unabhängigen Zertifizierungsorganisation) geprüft worden. Transparenz ist ein weiterer wesentlicher Qualitätsfaktor. Wenn die verwendeten Informationen von Konsument:innen einsehbar sind, kann das positive Effekte auf die Glaubwürdigkeit der getroffenen Nachhaltigkeitsaussagen haben. Nicht zuletzt sollten Produktclaims spezifisch, genau und zutreffend formuliert sein, um aufgrund von fehlender Wesentlichkeit Greenwashing Vorwürfe zu vermeiden.  

Ein Paradebeispiel aus dem Universum der Nachhaltigkeitsclaims ist „Mehrweg“, das klaren Verwendungsbestimmungen unterliegt und bereits gut in der Kommunikation etabliert ist. Dahingegen ist der Begriff „Zero Waste“ nicht empfehlenswert, da er suggeriert, dass keine Abfälle entlang des Produktlebenszyklus entstehen, was irreführend ist.  

Der Produktclaim „aus fairem Handel“ ist ein gutes Beispiel dafür, wie differenziert Nachhaltigkeitskommunikation sein kann, da diese Aussage sowohl auf Unternehmens- sowie auch auf Produktebene verwendet wird. Es empfiehlt sich jedoch, diesen Claim nur mit ergänzender Nennung des genutzten Standards (z.B. Fair Trade Siegel) zu verwenden. Der Claim „sozialverträgliche Lieferkette“, wie sie durch das 2023 in Kraft tretende Lieferkettengesetz reguliert wird, eignet sich hingegen nicht für die Endkundenkommunikation, da die Einhaltung dieser Standards als Selbstverständlichkeit angesehen werden sollten.
 

Frage: Wie hat sich das Verständnis für Nachhaltigkeitsaussagen seit ihrer ersten Studie 2014 entwickelt? 

Im Vergleich zur ersten Befragung im Jahr 2014, hat die Verständlichkeit und Kaufrelevanz der betrachteten Nachhaltigkeitsclaims zugenommen. Es lassen sich kaum Verständnisunterschiede nach soziodemografischen Kriterien feststellen. Unabhängig von Geschlecht und Bildungsniveau hat sich die Verständlichkeit über alle Altersstufen hinweg verbessert. Es zeigen sich jedoch Unterschiede auf individueller Ebene der Claims. Von den insgesamt 20 abgefragten Claims wurde 8 aus der Studie aus 2014 wieder aufgenommen. Vor allem klimarelevante Claims wie „klimaneutral“ und „CO2-kompenisert“ sind aufgrund ihrer geringen Verständlichkeit und Kaufrelevanz noch wenig akzeptiert. Dies verdeutlicht die steigende Wahrnehmung und Relevanz der nachhaltigkeitsbezogenen Produktaussagen. Es ist deshalb umso wichtiger, eine transparente und effiziente Kundenkommunikation bei der Verwendung der Green Claims anzustreben.  

Prof. Dr. Manfred Kirchgeorg und Jessica Mazurek waren Referenten im Workshop Augen auf bei Green Claims!

Jessica Mazurek

Jessica Mazurek

Jessica Mazurek ist seit Mai 2021 wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Marketing Management und Nachhaltigkeit. Sie studierte International Cultural Business Studies und Marketing an den Universitäten in Passau und Nürnberg, gefolgt von einer Koordinatorenrolle in einer internationalen Marketingagentur in Kopenhagen. Sie forscht zu Kommunikationsinstrumenten, die klimafreundliches Konsumverhalten fördern und das Intention-Action-Gap schließen können und untersucht, welche Rolle dabei die Motivation und das Wissen der Konsumenten spielen.  

Jessica Mazurek ist Referentin im Workshop Augen auf bei Green Claims! 

Drei Fragen an Prof. Dr. Manfred Kirchgeorg und Jessica Mazurek 

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Prof. Dr. Manfred Kirchgeorg

Prof. Dr. Manfred Kirchgeorg

Prof. Dr. Manfred Kirchgeorg ist Inhaber des Lehrstuhls für Marketingmanagement und Nachhaltigkeit an der HHL Leipzig Graduate School of Management. Er promovierte und habilitierte zu den Themenkomplexen marktorientiertes Umwelt–  und Kreislaufmanagement an der Universität in Münster. Die an seinem Lehrstuhl aufgebauten Forschungskompetenzen im Bereich des Sustainability Marketing und Holistic Branding werden mit Forschungsfragen der Optimierung von crossmedialen Kommunikationsformen verknüpft. Prof. Kirchgeorg leitet den Curriculum Council des von Prof. Michael Porter an der Harvard Business School gegründeten Netzwerkes „Microeconomics of Competitiveness“. Er ist Mitglied im Aufsichtsrat der Unilever Deutschland Holding GmbH sowie Vorstandsmitglied der Wissenschaftlichen Gesellschaft für marktorientierte Unternehmensführung e. V. Er ist Mentor für Startups, Mitgründer der Transferplattform „mission2impact“ und Autor vielfältiger Fachpublikationen.

Prof. Dr. Manfred Kirchgeorg ist Referent im Workshop Augen auf bei Green Claims! 

Drei Fragen an Prof. Dr. Manfred Kirchgeorg und Jessica Mazurek 

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Drei Fragen an Peter Uhlig, Manager Sustainability GS1

Drei Fragen an Peter Uhlig, Manager Sustainability GS1

Frage: GS1 ist im öffentlichen Bewusstsein wenig bekannt. Dabei gehen wir täglich mit den Ergebnissen der Arbeit von GS1 um: mit Barcodes, Scannern und Daten. Was war Ihre Motivation und Ihr Ziel sich gerade mit einem Leitfaden für „Sustainable Product Claims“ zu beschäftigen? Und das nicht zum ersten Mal? 

Als globale neutrale Plattform für Handel und Industrie sowie als Not-for-Profit Organisation beschäftigen wir uns mit einer Vielzahl unterschiedlicher Herausforderungen unserer Community. Diese betreffen zum einen klassisch datengetriebene Problemstellungen, die beispielsweise in Form der von Ihnen aufgezählten Lösungswege kanalisiert werden. Zum anderen gibt es Sonderthemen, die unsere Kunden umtreiben. So wurde in diesem Fall von unserem Expertengremium im Bereich Nachhaltigkeit der Wunsch geäußert, einen Leitfaden zu erstellen, der den Unternehmen eine Orientierungshilfe für die Anwendung nachhaltigkeitsbezogener Produktaussagen bietet. Dies geschah erstmalig 2014. Mit der Neuauflage im Jahr 2022 wird GS1 den dynamischen Veränderungen gerecht, die bei dem Thema im Laufe der Jahre stattgefunden haben. Die zunehmenden Erwartungshaltungen in dem Bereich, insbesondere vom Gesetzgeber und von der Gesellschaft, lassen vermuten, dass es in den kommenden Jahren weitere Neuauflagen mit kürzeren Intervallen erfordern wird. 

Frage:  Mit Ihrem Leitfaden zeigen Sie das Spannungsfeld zwischen gesetzlicher Normierung von Begriffen und dem Verständnis von Verbrauchern auf. Wie beurteilen Sie dabei die zunehmende Verschärfung der gesetzlichen Regelungen? 

Mit den regulatorischen Anpassungen, welche bereits erfolgt sind, aber auch weiterhin erfolgen werden, will der Gesetzgeber auf die vorherrschende Diskrepanz zwischen Aussagen seitens Unternehmen und Verständnis seitens Konsument:innen reagieren. Das wurde in den letzten Jahren in erster Linie durch eine zunehmende Zahl von Gerichtsurteilen vorgenommen. Durch die angekündigte europäische Green Claims Initiative sowie die UWG-Novelle, die für das kommende Jahr erwartet wird, werden auf regulatorischer Ebene weitere Anforderungen daran erwartet, welche Aussagen in welcher Form von Unternehmen getroffen werden dürfen. Am Ende wird natürlich als Ergebnis erhofft, dass die Transparenz erhöht und sich somit Product Claims und Kundenverständnis zunehmend annähern. 

Frage: Der Leitfaden ist in Zusammenarbeit mit namhaften Praxispartnern entstanden. Was waren ihre wichtigsten Erkenntnisse in diesem Prozess? 

Zunächst ist hervorzuheben, dass es sich bei den Unternehmenspartnern aus einer Mischung aus Handel und Industrie handelte. Diese Konstellation wählten wir bewusst, um verschiedene Perspektiven und Erfahrungen auf das Thema zu erhalten. Auch die weitere Einbindung erfahrener Expert:innen, wissenschaftlicher Einrichtungen sowie eines Fachanwalts boten die erforderliche Expertise für den vorliegenden Leitfaden.  

Als wichtigste würde ich die Erkenntnis nennen, dass die meisten Produktaussagen keine Schwarz-Weiß Unterscheidung zulassen. Die Diskussionen in der Gruppe, von der Definition der Begriffe bis hin zu deren Eignung, wurden daher sehr intensiv geführt, was zur Qualität des Dokuments beigetragen, aber auch die Schwierigkeit des Themenfelds unterstrichen hat. Weiterhin hat sich beim Austausch und in der Recherche die wachsende Dynamik des Themas eindrucksvoll gezeigt. Deshalb ist davon auszugehen, dass in zwei Jahren bereits ein inhaltlich stark veränderter Leitfaden vorliegen wird. In unserer Recherche hat sich zudem gezeigt, wie unterschiedlich einzelne Begriffe von verschiedenen Anspruchsgruppen bisher definiert und verstanden werden. Als Paradebeispiel hierfür nehme ich am liebsten den Claim „Regionales Produkt“. Konsument:innen verstehen diese Aussage vermeintlich gut. Beschäftigt man sich jedoch mit ihrer Definition, wird deutlich, dass sie alles andere als eindeutig ist. 

 Peter Uhlig ist Referent im Workshop Augen auf bei Green Claims!

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Drei Fragen an Peter Uhlig, Manager Sustainability GS1

Peter Uhlig, Manager Sustainability GS1

Peter Uhlig, geboren 1992, ist seit eineinhalb Jahren als Manager Sustainability bei dem Not-for-Profit-Unternehmen GS1 Germany in Köln tätig. Dort leitet und unterstützt er Projekte im Nachhaltigkeitsbereich, die eine Hilfestellung für Handel und Industrie zum Ziel haben. Die Themengebiete, mit denen sich Peter Uhlig befasst, erstrecken sich von nachhaltigkeitsbezogener Produktkommunikation über den Rückführungsprozess von Mehrwegversandtaschen bis hin zu Anforderungen aus dem Lieferkettengesetz. Zuvor leitete er das BMBF-geförderte Projekt „Nachhaltig Erfolgreich Führen“, in dem ein bundeseinheitliches IHK-Trainingsprogramm entstand. Herr Uhlig studierte Betriebswirtschaft und Recht an der Hochschule Aschaffenburg und Betriebswirtschaftslehre mit dem Schwerpunkt Entrepreneurship and Social Innovation an der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt. 

Peter Uhlig ist Referent im Workshop Augen auf bei Green Claims! 

Drei Fragen an Peter Uhlig

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