Frage 1: Wie ist ihr heutiger Blick auf die Entwicklung und die Anwendung der EU-Taxonomie?
Dr. Rieth: Die EU-Taxonomie ist ein Instrument, das Stakeholder von Unternehmen eine bisher noch nie gekannte Transparenz über den Umfang von ökologisch nachhaltigen Aktivitäten bietet. Insbesondere in jenen bislang stark CO2-intensiven Branchen werden von Unternehmen aussagekräftige, umfassende Information zu Capex, sprich zu Investitionen in die Zukunftsfähigkeit von Unternehmen bereitgestellt. Es bleibt den Finanzmarktakteuren vorbehalten zu bewerten, welche Unternehmen als gut aufgestellt gelten, und somit als Investitionsobjekte besonders attraktiv sind.
Frage 2: Wo liegen die Hürden bei der Ermittlung der Taxonomie-Kennzahlen?
Dr. Rieth: Unternehmen befinden sich seit zwei Jahren noch in der Erprobungsphase der EU-Taxonomie-Verordnung. Im ersten Schritt geht es vor allem um die Auslegung, wann ein substanzieller Beitrag zu den EU-Umweltzielen vorliegt. Im zweiten Schritt steht die genaue Bestimmung der Finanzkennzahlen Capex, Opex und Umsatz im Fokus. Wir gehen davon aus, dass sich insbesondere über eine vertiefte Abstimmung und Erfahrungswerte in den Branchen einheitliche Auslegungen für die Nachhaltigkeitsbewertung von Unternehmensaktivitäten sowie für die Bestimmung der Finanzkennzahlen herauskristallisieren.
Frage 3: Welche richtungsweisenden Entwicklungen sehen Sie bei der Harmonisierung der Offenlegung von Nachhaltigkeitsdaten?
Dr. Rieth: Wir gehen davon, dass sich Investoren – in Abhängigkeit von der jeweiligen Branche – auf ausgewählte Finanzkennzahlen konzentrieren werden. Insbesondere in der Energiewirtschaft mit großen Assets und umfassenden Handels- und Vertriebsaktivitäten ist der Mehrwert von Opex- und Umsatz-Kennzahlen begrenzt, die Capex-Werte aber umso wichtiger. Mittelfristig erwarten wird, dass sich unter Umständen zusätzlich Ergebnis-Kennzahlen, wie Ebitda eine weitere interessante Größe darstellen könnten.
Dr. Lothar Rieth ist Referent im WorkshopTaxonomie in der Praxis – Erste Erfahrungen