Drei Fragen an Dr. Lothar Rieth

Drei Fragen an Dr. Lothar Rieth

Frage 1: Wie ist ihr heutiger Blick auf die Entwicklung und die Anwendung der EU-Taxonomie? 

Dr. Rieth: Die EU-Taxonomie ist ein Instrument, das Stakeholder von Unternehmen eine bisher noch nie gekannte Transparenz über den Umfang von ökologisch nachhaltigen Aktivitäten bietet. Insbesondere in jenen bislang stark CO2-intensiven Branchen werden von Unternehmen aussagekräftige, umfassende Information zu Capex, sprich zu Investitionen in die Zukunftsfähigkeit von Unternehmen bereitgestellt. Es bleibt den Finanzmarktakteuren vorbehalten zu bewerten, welche Unternehmen als gut aufgestellt gelten, und somit als Investitionsobjekte besonders attraktiv sind. 

Frage 2: Wo liegen die Hürden bei der Ermittlung der Taxonomie-Kennzahlen? 

Dr. Rieth: Unternehmen befinden sich seit zwei Jahren  noch in der Erprobungsphase der EU-Taxonomie-Verordnung. Im ersten Schritt geht es vor allem um die Auslegung, wann ein substanzieller Beitrag zu den EU-Umweltzielen vorliegt. Im zweiten Schritt steht die genaue Bestimmung der Finanzkennzahlen Capex, Opex und Umsatz im Fokus. Wir gehen davon aus, dass sich insbesondere über eine vertiefte Abstimmung und Erfahrungswerte in den Branchen einheitliche Auslegungen für die Nachhaltigkeitsbewertung von Unternehmensaktivitäten sowie für die Bestimmung der Finanzkennzahlen herauskristallisieren. 

Frage 3: Welche richtungsweisenden Entwicklungen sehen Sie bei der Harmonisierung der Offenlegung von Nachhaltigkeitsdaten? 

Dr. Rieth: Wir gehen davon, dass sich Investoren – in Abhängigkeit von der jeweiligen Branche – auf ausgewählte Finanzkennzahlen konzentrieren werden. Insbesondere in der Energiewirtschaft mit großen Assets und umfassenden Handels- und Vertriebsaktivitäten ist der Mehrwert von Opex- und Umsatz-Kennzahlen begrenzt, die Capex-Werte aber umso wichtiger. Mittelfristig erwarten wird, dass sich unter Umständen zusätzlich Ergebnis-Kennzahlen, wie Ebitda eine weitere interessante Größe darstellen könnten. 

Dr. Lothar Rieth ist Referent im WorkshopTaxonomie in der Praxis – Erste Erfahrungen

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Drei Fragen an Carel Mohn

Drei Fragen an Carel Mohn

Frage 1: Wie sehen Sie die Rolle von Fotos und Bildsprache in der Kommunikation, Berichterstattung und Diskussionen über Herausforderungen und Lösungen im Nachhaltigkeitskontext? 

Mohn: Für Fotos, Bilder oder Videos in der Nachhaltigkeitskommunikation gilt das gleiche wie für Wort, Text oder non-verbale Mittel der Kommunikation: Es geht darum, Fotos und Bildsprache überlegt und gezielt einzusetzen. Und im Nachhaltigkeitskontext wage ich die Aussage: ohne einen Werte-Bezug wird Kommunikation nicht gelingen. 

Frage 2: Wird Bildsprache Ihrer Erfahrung nach strategisch oder gar manipulativ eingesetzt in der unternehmerseitigen Nachhaltigkeitskommunikation beziehungsweise medialen Berichterstattung über ökologische Nachhaltigkeit? 

Mohn:  Wie manipulativ ist es, wenn Verkehrsampeln rot sind – weil wir evolutionär gelernt haben, rot mit Gefahr zu verbinden? 

Frage 3: Wie sehen Sie den zukünftigen Stellenwert von statischen oder bewegten Bildern und visuellen Darstellungen im Zusammenhang mit Fakten-basierter Klimakommunikation? 

Mohn:  Vergesst die Fakten. Menschen verwerfen selbst die klarsten Fakten, wenn sie nicht mit ihren Werten übereinstimmen. Daran können auch Bilder wenig ändern, egal ob bewegt oder nicht. 

 

Carel Mohn ist Referent im Workshop Bildsprache in der Nachhaltigkeitskommunikation

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Drei Fragen an Anna Alicia Kier

Drei Fragen an Anna Alicia Kier

Frage 1: Welche Rolle spielt IT im CSR-Management und der CSR-Kommunikation von Aldi Süd, insbesondere im Hinblick auf wachsende Berichtsanforderungen? 

Kier: IT bietet als Tool zur Konsolidierung verschiedenster Datenquellen neue Möglichkeiten, Datenpunkte zu verknüpfen und gemeinsam auszuwerten. Gleichzeitig sorgt eine stärkere Nutzung von IT-Lösungen dafür, skalierbare Methoden zu etablieren. So können wir den wachsenden Anforderungen am besten gerecht werden. Bei uns gibt es eine enge Zusammenarbeit zwischen CR und IT-Abteilungen, um zukunftsfähig zu bleiben.  Wir verfolgen ein gemeinsames Ziel als Unternehmen und der Austausch über Prozesse und Strategien im CSR-Kontext reflektiert diesen Ansatz.  

Frage 2: Welche Herausforderung bei der Datengenerierung und -analyse sehen sie basierend auf ihren internen Erfahrungen, damit das CSR-Management und die CSR-Kommunikation sinnvoll unterstützt werden können? 

Kier: Bei IT-Landschaften, die sich über mehrere Länder und Kontinente erstrecken gibt es oft nationale Besonderheiten und spezielle Systeme, die unterschiedliche KPIs erheben bzw. sie anders definieren. Für internationale Reportings über die gesamte ALDI Süd Gruppe besteht die größte Herausforderung meiner Meinung nach darin, diese Daten zu vereinheitlichen und sicherzustellen, dass wir unseren CR Abteilungen verlässliche Daten zur Verfügung stellen können, gerade in Hinblick auf gesetzliche Anforderungen.  

Frage 3: Welche Chancen und Herausforderungen sehen sie für die zukünftige CSR-Kommunikation in einem zunehmend digitalisierten, regulierten und Daten-basierten Umfeld? 

Kier: Es wird hoffentlich einfacher für Konsumenten, die Nachhaltigkeitsstrategien und Performance verschiedener Unternehmen miteinander zu vergleichen. Zusätzlich macht es die Relevanz/ Wichtigkeit von Nachhaltigkeit deutlich und Man kann die Themen einfacher bei den Lieferanten platzieren, da auch für sie Nachhaltigkeit an Relevanz zunimmt. Die gesetzlichen Anforderungen setzen Berichterstattungen voraus, für die im Zweifelsfall noch keine Daten erhoben wurden. Hier müssen dann schnell KPIs und Methoden zur Datenerhebung entwickelt werden. Gerade bei Weiterentwicklungen von IT-Systemen besteht hier die Herausforderung darin, die Systeme zeitnah durch neue Features oder externe Schnittstellen zu erweitern. 

Anna Alicia Kier ist Referentin im Workshop IT Unterstützung & Reporting

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Drei Fragen an Dr. Beate Gebhardt

Drei Fragen an Dr. Beate Gebhardt

Frage: Welche Ziele verfolgen Veranstalter von Nachhaltigkeitswettbewerben und was bedeutet dies für die Unternehmen, die an den Wettbewerben teilnehmen möchten? 

Das Ziel vieler Vergabeinstitutionen ist es, Unternehmen eine Plattform zu geben ihre besonderen Nachhaltigkeitsleistungen darzustellen. Mit der Verleihung eines Nachhaltigkeitsawards möchten sie den unternehmerischen Beitrag zur Nachhaltigkeitstransformation belohnen und andere Unternehmen zur Nachahmung anregen. Einen Preiserhalt können Unternehmen medienwirksamer kommunizieren als Zertifizierungen oder andere Nachweise ihrer Nachhaltigkeits-Performance. 

Viele unterschiedliche Nachhaltigkeitswettbewerbe bedeuten jedoch auch viele unterschiedliche Ziele. Und nicht jedes Ziel wird mit gleich hohen Maßstäben verfolgt oder umgesetzt. Die Spannweite der Anforderungen von Nachhaltigkeitswettbewerben ist sehr groß. Angesichts von über 150 Nachhaltigkeitswettbewerben und über 500 Preiskategorien, dies sich – pro Jahr – an Unternehmen richten, bedeutet dies für Unternehmen vor allem wenig Übersichtlichkeit, welche Wettbewerbe es gibt und welche für sie geeignet sein könnten. Transparenz, Zugang und Glaubwürdigkeit sind die zentralen Herausforderungen für Unternehmen – und der Maßstab für hochwertige Nachhaltigkeitswettbewerbe.   

Frage: Welche Erfolgsfaktoren gibt es bei der Teilnahme an Nachhaltigkeitswettbewerben? 

Häufige Gewinner von Nachhaltigkeitsawards sind große, verbraucherorientierte Unternehmen, die gut vernetzt in Verbänden sind und Mut zur öffentlich kommunizierten Nachhaltigkeitsorientierung zeigen. Zu kurz kommen die vielen kleinen Unternehmen – zu Unrecht meinem Eindruck nach. Eine professionelle Bewerbung, bei der die Nachhaltigkeitsleistungen für Dritte verständlich dargestellt werden und deren Besonderheit nachvollziehbar ist, sollte bei Selbstbewerbungen selbstverständlich sein. Wer bereits über Nachhaltigkeit kommuniziert oder einen Nachhaltigkeitsbericht erstellt hat, kann besser von Veranstaltern und Juroren wahrgenommen werden. Wer bereits Daten und Narrative über die eigenen Nachhaltigkeitsleistungen zusammengetragen hat, kann dies auch in einen Nachhaltigkeitswettbewerb einbringen. Die Teilnahme an einem Nachhaltigkeitswettbewerb ist ja nicht der erste Schritt eines Unternehmens, sondern flankiert die Nachhaltigkeits-Reise. Ein erfolgsversprechender Geheimtipp ist es, einen Plan zu erstellen, der nachhaltigkeitsrelevante Schritte oder Projekte im Unternehmen mit der Teilnahme an Wettbewerben verknüpft. Übersicht über die CSR-Awards Landschaft in Deutschland gibt ab Herbst 2022 unser neuer CSR-Award-Finder, der Interessierten interaktiv hilft geeignete Nachhaltigkeitswettbewerbe zu finden.  

Frage: „The winner takes it all!“ Wie können Unternehmen, die dann doch nicht ausgezeichnet wurden, dies für ihre Kommunikation – intern und/oder extern – positiv nutzen?

Nachhaltigkeitswettbewerbe sind sowohl Teil der Nachhaltigkeitskommunikation als auch der Nachhaltigkeitsbewertung.  Sich mehrmals zu bewerben, bevor man dann den Preis gewinnt, oder bei kleineren, regionalen Wettbewerben zu beginnen, ist nicht unüblich. Letztlich geht es darum, was Unternehmen als „Gewinn“ verstehen wollen. Dies ist oft viel mehr als ein erster Platz und eine überreichte Trophäe. Ein umfassendes Feedback der Vergabeinstitution wird von Unternehmen sehr geschätzt. Sie können ihre Nachhaltigkeits-Performance daran spiegeln und daraus lernen.  

Dr. Beate Gebhardt ist Referentin im Workshop Preise und Rankings in der CSR Kommunikation

Link zum CSR-Award Finder

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Drei Fragen an Dr. Günther Bachmann

Drei Fragen an Dr. Günther Bachmann

Frage 1: Kaum ein Begriff polarisiert in der Nachhaltigkeitsdiskussion so wie der Begriff „Wachstum“. Sind „qualitatives“ oder „nachhaltiges“ Wachstum nur Worthülsen oder eine echte Alternative? Wie beurteilen Sie das? 

Dr. Bachmann: Das erste Problem ist wohl, dass die Polarisierung ein Binnenereignis der Nachhaltigkeitsscene ist, während sich der Mainstream mühelos mit dem traditionellen Wachstumsbegriff zufriedengibt. Wir sind mit Alternativen noch nicht durchgedrungen, wohl auch weil das Moralische oft das Praktische verdrängt. So wird alternatives Wachstum immer noch mit der unzureichenden Zahlenwelt der Volkswirtschaftslehre berechnet, obwohl doch offensichtlich ist, dass die finanziellen Kennziffern nicht die Wahrheit über Ökologie und Soziales sagen. Mitunter überzeugen sie nicht einmal in ihrer Kernkompetenz, dem Ökonomischen. Fossiles Wachstum ist unechtes Wachstum und unendliches Wachstum gibt es nicht. Alternativen müssen echt wachsen.  

Frage 2: Die nachhaltige Transformation von Wirtschaft und Gesellschaft ist eine Aufgabe, deren Erfolge nur in der Langfristperspektive sichtbar werden. Die individuellen Anpassungsmaßnahmen müssen dagegen kurzfristig erfolgen. Wie kann Politik Menschen dazu bewegen, mitzumachen und sich nicht gegen Veränderungen zu wehren? 

Dr. Bachmann: Ich zweifle immer reflexartig an „nur“-Formeln. Hier auch. Wir erleben doch gerade kurzfristige Veränderungen. Warum sollen die nicht auch für die Transformation im Prinzip möglich sein? 

Frage 3: Im Frühsommer ist viel über den Kommunikationsstil von Wirtschaftsminister Robert Habeck geschrieben worden. Wie sollten Politiker:innen mit ihren Wähler:innen über kurzfristige Unbequemlichkeiten bei der Erreichung langfristiger Ziele sprechen? Oft scheinen sie Angst davor zu haben. 

Dr. Bachmann: Al Gore konfrontierte die Menschen mit „unbequemen Wahrheiten“. Das war noch weitgehend ohne große Folgen, weil es weit weg schien. Heute ist das nah dran und die Sache wird noch unbequemer. Wer so etwas nicht ausspricht, wird verlieren. Wo Angst zu befürchten ist, muss man mit Hoffnung und Gemeinsamkeit reagieren. Wer so etwas versucht, hat die Menschen auf seiner Seite. Sie oder er darf ihnen nur halt nichts vormachen und muss sich selbst mit ins Bild nehmen. Und man muss einbeziehen, dass das, was eben noch außergewöhnlich, herausfordernd, unbequem war, schnell als normal gilt. Oft schneller als man denkt. Die eigentliche Hürde ist die Veränderung der Bezugsgrößen. Das shifting baseline kann positiv wie negativ ins Gewicht fallen. Es ist gut, das zu verstehen und nutzen zu wollen. 

Dr. Günther Bachmann hält die Keynote zum Empfang im Friedenssaal im Rathaus Osnabrück.

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