Drei Fragen an Annette Schimmel

Drei Fragen an Annette Schimmel

Sie leiten in Bremerhaven das Projekt „Green Economy“. Was verbirgt sich dahinter? 

Weithin sichtbarer Leuchtturm unseres Green Economy Projektes ist das nachhaltige Gewerbegebiet Lune Delta, das wir derzeit auf einer Fläche von insgesamt 150 ha im Stadtsüden entwickeln. Mit Lune Delta wollen wir für Unternehmen geeignete Rahmenbedingungen schaffen, zukunftssicher, also nachhaltig, zu wirtschaften. Zum Gebietsauftakt planen wir ein grünes Gründerzentrum, das die Deutsche Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (DGNB) kürzlich mit dem Vorzertifikat in Platin ausgezeichnet hat. Das Zentrum soll auf Grund der nachhaltigen Bauweise und dem nachhaltigen Umfeld für junge Unternehmen der Green Economy zu einem Heimathafen werden. Es eröffnet die Möglichkeit, die Unternehmen bei den Herausforderungen des Klimawandels und zugleich auch des Strukturwandels aktiv zu begleiten. Denn nachhaltiges Wirtschaften ist eine große Herausforderung – beinhaltet aber auch große Chancen. 

 

Welche Rolle spielt Nachhaltigkeitskommunikation in Ihrem Projekt? 

Obwohl in Bremerhaven seit über 40 Jahren das international renommierte Klimaforschungsinstitut AWI (Alfred Wegener Institut für Polar- und Meeresforschung) beheimatet ist und das Klimahaus seit seiner Eröffnung in 2009 jährlich mehrere Hunderttausend Besucher hat, ist Bremerhaven in der Öffentlichkeit immer noch kein Hot Spot in Sachen Nachhaltigkeit. Von daher bemühen wir uns im Rahmen unserer Kommunikation nach außen ständig darum, Bremerhaven als Wirtschaftsstandort für die „Green Economy“ zu präsentieren. Ein wichtiger Baustein ist unser Blog (www.green-economy-bremerhaven.de), auf dem wir wöchentlich mindestens einen Beitrag über unsere umweltaktive und nachhaltige Wirtschaft und Wissenschaft veröffentlichen. 

 

Wie ist die Zusammenarbeit der Stadt Bremerhaven mit Unternehmen? Wer ist Treiber in Sachen Nachhaltigkeit?  

Die BIS Wirtschaftsförderung ist eine städtische Gesellschaft und hat die primäre Aufgabe, Arbeitsplätze zu sichern und neue zu schaffen. Hierfür stehen uns verschiedene Instrumente (Förderprogramme, Immobilien, Flächen etc.) zur Verfügung. Da wir der Meinung sind, dass nur nachhaltiges Wirtschaften zukunftsfähig ist, unterstützen wir Unternehmen dabei, sich dahingehend zu transformieren. Wir agieren dabei aber nicht alleine, sondern kooperieren mit vielen Partnern wie z.B. mit der Hochschule Bremerhaven und den zahlreichen wissenschaftlichen Einrichtungen in der Stadt. Um unserer Vorbildfunktion in Sachen Nachhaltigkeit nachzukommen, haben wir eine Nachhaltigkeitsstrategie entwickelt und bereits zweimal nach dem Deutschen Nachhaltigkeits Kodex berichtet.  

Annette Schimmel war Referentin im Workshop Nachhaltigkeitskommunikation von Kommunen und Zusammenarbeit mit Unternehmen

Drei Fragen an Dr. Claas Beckord

Drei Fragen an Dr. Claas Beckord

Frage: Osnabrück hat den Deutschen Nachhaltigkeitspreis 2020 erhalten. Welche Bedeutung hatte die Auszeichnung für Sie: für Ihre Arbeit und für Ihre Kommunikation? 

Die Bewerbung zum Nachhaltigkeitspreis war für Osnabrück eine hervorragende Gelegenheit einmal Bilanz zu ziehen und die vielfältigen Aktivitäten, die wir in den unterschiedlichen Dienststellen der Stadtverwaltung aber auch in unseren Beteiligungen umsetzen, einmal systematisch zu erfassen. Dies gab uns auch die Gelegenheit zu überprüfen, wo wir in Bezug auf die von uns angestrebten strategischen Ziele für eine nachhaltige Stadtentwicklung stehen. Die war auch eine Möglichkeit ein Benchmark zu erlangen, wo Osnabrück im interkommunalen Vergleich steht. Das wir den Preis dann noch gewonnen haben, hat uns enorm angespornt dieses Weg weiter zu beschreiten. Es stellt aber auch eine große Verpflichtung dar, diesen großen Ansprüchen auch zu genügen. Das wir hier nicht nachlassen werden zeigen drei grundlegende Beschlüsse des Rates der Stadt Osnabrück aus der jüngeren Zeit. Zum einen zielen wir die Klimaneutralität der Verwaltung bis 2030 und die der Gesamtstadt bis 2040 an. Zum zweiten wurde dem Schutz und der Entwicklung der grünen Finger eine hervorragende Bedeutung eingeräumt und damit das Leitbild die Stadt vom Freiraum her zu planen, deutlich gestärkt. Und zuletzt hat sich der Rat verpflichtet beim Umbau und Neubau von Radverkehrsinfrastrukturen höchste Maßstäbe anzusetzen und damit die Verkehrswende, fort vom motorisierten Individualverkehr, weiter voranzutreiben.  

Frage: Was macht die Smart City Osnabrück aus? 

Das Bedeutendste bei der Entwicklung zur smarten Stadt ist für uns, den Menschen und seine Bedürfnisse in den Mittelpunkt zu stellen. Technik ist kein Selbstzweck, sondern muss uns helfen den Alltag besser und einfacher zu gestalten. Daneben soll sie uns helfen, die großen Herausforderungen, die im Zuge des Klimawandels und der Anpassung an diesen vor uns liegen. Eine smarte Stadt ist für uns:  

  • Technologisch fortschrittlich. Sie versucht Lösungen für die vor uns liegenden Herausforderungen zu entwickeln und dabei den zielgerichteten Einsatz von moderner Technologien zu fördern. 
  • Lebenswert und inklusiv. Sie stellt das Wohl der Menschen in den Mittelpunkt und schließt niemanden aus. 
  • Nachhaltig und Widerstandsfähig. Sie ist durch einen vorausschauenden Umgang mit den natürlichen Ressourcen geprägt. 

Bei der derzeit in Erarbeitung befindlichen Smart City Strategie setzen wir daher auf eine breite Mitwirkung der Stadtgesellschaft und versuchen hierüber hinaus auch den Wissenstransfer mit der Region sicherzustellen. Es gilt dabei aber auch keine Menschen zurückzulassen und die berechtigten Interessen von Datenschutz und Sicherheit sehr ernst zu nehmen. Unsere Mission kann dabei wie folgt beschrieben werden: wir möchten digitale Technologien so vorantreiben, dass sie der gesamten Stadtgesellschaft in allen Lebensbereichen nutzen. Wir befähigen alle Menschen, aufgeklärt und selbstbestimmt den digitalen Wandel mitzugestalten. Das smarte Osnabrück bleibt dabei Osnabrück, nur besser. 

Frage: Welche Rolle spielt die Digitalisierung in der nachhaltigen Entwicklung der Stadt Osnabrück?  

Digitalisierung ist ein wichtiger Baustein einer nachhaltigen Entwicklung und wirkt in viele Themenfelder hinein. Sie beginnt für uns bei der Bereitstellung offener Daten als Grundlage für die Planung oder die Entwicklung von Lösungen. Hierzu bauen wir derzeit eine urbane Datenplattform auf. Ein wichtiges Themenfeld hierin sind Sensordaten, die uns helfen sollen, Zusammenhänge besser zu verstehen und unsere Planungen und Aktivitäten zu verbessern. So wird derzeit im Zuge eine Forschungsprojektes der Stresspegel von Radfahrern erfasst, um besonders kritische Stellen im Radverkehrsnetz zu erkennen und zu verbessern. Eine andere Sensorlösung erproben wir im Bereich der Bodenfeuchtemessung. Dies kann zum einen helfen Ressourcen zielgerichtete einzusetzen (z.B. bei der Stadtbaumbewässerung) oder die Wasseraufnahmefähigkeit von Böden zu beurteilen und dies in den Zusammenhang mit dem Schutz vor den Auswirkungen von Starkregenereignissen zu stellen. Digitalisierung wird uns auch dabei helfen unsere Beteiligungsangebote breiter aufzustellen und ggf. Zielgruppen zu erreichen, die in konventionellen Beteiligungsverfahren bisher unberücksichtigt wurden. Daher arbeiten wir an einer digitalen Beteiligungsplattform, die perspektivisch dezentrale Angebote bündeln soll und schon heute neue Zugänge und Möglichkeiten der Beteiligung liefert. Gute digitale Prozesse werden uns zudem dabei helfen, mehr Ressourcen für inhaltliche und fachliche Arbeit zu generieren. Denn auch wir sehen uns in vielen Fällen einem enormen Fachkräftemangel ausgesetzt und sind geradezu dazu verpflichtet Dinge einfacher und schneller zu machen, um Freiräume für die fachliche Arbeit zu gewinnen.  

Dr. Claas Beckord war Referent im Workshop Nachhaltigkeitskommunikation von Kommunen und Zusammenarbeit mit Unternehmen

Drei Fragen an Professor Manfred Kirchgeorg und Jessica Mazurek

Drei Fragen an Professor Manfred Kirchgeorg und Jessica Mazurek

Frage:  Produktbezogene Nachhaltigkeitsaussagen haben Konjunktur. Dennoch fehlt es an Wissen über das Verständnis und die Wirkung dieser Aussagen bei den Konsumenten. Was bewegt Sie, in diesem Bereich zu forschen?  

Um den Wandel hin zu nachhaltigem Konsum zu befördern, ist es notwendig alle Konsumentinnen und Konsumenten abzuholen. Dabei ist Verständlichkeit von Nachhaltigkeitsaussagen eine wesentliche Voraussetzung, um die Informationen auch in nachhaltige Handlungen umzuwandeln. Jedoch besteht immer noch eine große Lücke zwischen der bekundeten Kaufabsicht und dem realen Verhalten. Besonders die Herausforderung, diese sogenannte Intention-Action-Gap mit effektiver Nachhaltigkeitskommunikation und Verhaltensanreizen zu schließen, macht die Forschung in diesem Bereich so spannend.  

Frage:  Durch welche Eigenschaften zeichnen sich empfehlenswerte Nachhaltigkeitsaussagen in der Produktkommunikation aus? Geben Sie uns doch bitte zwei Beispiele für besonders gute und weniger geeignete Aussagen!  

Empfehlenswerte produktspezifische Nachhaltigkeitsclaims sind einerseits standardisiert, das heißt sie sind durch standardisierte und wissenschaftlich anerkannte Prüfmethoden untermauert und (von unabhängigen Zertifizierungsorganisation) geprüft worden. Transparenz ist ein weiterer wesentlicher Qualitätsfaktor. Wenn die verwendeten Informationen von Konsument:innen einsehbar sind, kann das positive Effekte auf die Glaubwürdigkeit der getroffenen Nachhaltigkeitsaussagen haben. Nicht zuletzt sollten Produktclaims spezifisch, genau und zutreffend formuliert sein, um aufgrund von fehlender Wesentlichkeit Greenwashing Vorwürfe zu vermeiden.  

Ein Paradebeispiel aus dem Universum der Nachhaltigkeitsclaims ist „Mehrweg“, das klaren Verwendungsbestimmungen unterliegt und bereits gut in der Kommunikation etabliert ist. Dahingegen ist der Begriff „Zero Waste“ nicht empfehlenswert, da er suggeriert, dass keine Abfälle entlang des Produktlebenszyklus entstehen, was irreführend ist.  

Der Produktclaim „aus fairem Handel“ ist ein gutes Beispiel dafür, wie differenziert Nachhaltigkeitskommunikation sein kann, da diese Aussage sowohl auf Unternehmens- sowie auch auf Produktebene verwendet wird. Es empfiehlt sich jedoch, diesen Claim nur mit ergänzender Nennung des genutzten Standards (z.B. Fair Trade Siegel) zu verwenden. Der Claim „sozialverträgliche Lieferkette“, wie sie durch das 2023 in Kraft tretende Lieferkettengesetz reguliert wird, eignet sich hingegen nicht für die Endkundenkommunikation, da die Einhaltung dieser Standards als Selbstverständlichkeit angesehen werden sollten.
 

Frage: Wie hat sich das Verständnis für Nachhaltigkeitsaussagen seit ihrer ersten Studie 2014 entwickelt? 

Im Vergleich zur ersten Befragung im Jahr 2014, hat die Verständlichkeit und Kaufrelevanz der betrachteten Nachhaltigkeitsclaims zugenommen. Es lassen sich kaum Verständnisunterschiede nach soziodemografischen Kriterien feststellen. Unabhängig von Geschlecht und Bildungsniveau hat sich die Verständlichkeit über alle Altersstufen hinweg verbessert. Es zeigen sich jedoch Unterschiede auf individueller Ebene der Claims. Von den insgesamt 20 abgefragten Claims wurde 8 aus der Studie aus 2014 wieder aufgenommen. Vor allem klimarelevante Claims wie „klimaneutral“ und „CO2-kompenisert“ sind aufgrund ihrer geringen Verständlichkeit und Kaufrelevanz noch wenig akzeptiert. Dies verdeutlicht die steigende Wahrnehmung und Relevanz der nachhaltigkeitsbezogenen Produktaussagen. Es ist deshalb umso wichtiger, eine transparente und effiziente Kundenkommunikation bei der Verwendung der Green Claims anzustreben.  

Prof. Dr. Manfred Kirchgeorg und Jessica Mazurek waren Referenten im Workshop Augen auf bei Green Claims!

Drei Fragen an Moritz Sckaer

Drei Fragen an Moritz Sckaer

Frage:  Noch sind nicht alle Details der künftigen Nachhaltigkeitsberichtsanforderungen klar umrissen. Wie können sich zukünftig berichtspflichtige Unternehmen dennoch schon heute vorbereiten?

Antwort: Aus unserer Sicht zeigen die aktuellen Dynamiken an mehreren Stellen sehr deutlich auf, wohin es gehen wird. Denn nicht nur die EU Kommission gibt mit der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD), den Entwürfen der European Sustainability Reporting Standards (ESRS) oder der EU Taxonomie die Richtung vor. Viele weitere Standardsetzer und Institutionen – wie das ISSB der IFRS, GRI oder die Value Reporting Foundation – beschäftigen sich mit der Ausweitung, Konkretisierung und Vergleichbarkeit von Nachhaltigkeitsinformationen. Dabei stehen zunehmend zukunftsgerichtete, unternehmerische Kernprozesse und Wirkungsketten im Fokus. Nur einige Schlaglichter sind: Stärkere Verantwortung entlang der gesamten Lieferkette, finanzielle Implikationen von ESG-Themen wie der Klimawandel, Prüfung von Nachhaltigkeitsinformationen oder Transparenz zur Nachhaltigkeitsgovernance von Kontrollgremien und Vorständen. Darauf müssen sich Unternehmen vorbereiten, selbst wenn noch nicht alle Anforderungen in nationales Recht überführt sind. Das erfordert ein Umdenken bezüglich des Umfangs von und der Verantwortlichkeiten für Nachhaltigkeitsthemen, komplexe Moderationsaufgaben zwischen Bereichen und Interessenskonflikten – und vor allem eine Roadmap für die nächsten Jahre bis zum ersten CSRD-konformen Bericht. Denn unabhängig, ob Unternehmen die Pflicht ab 2024, 2025 oder 2026 trifft: Die Arbeitspakete sind so umfassend, dass man sich hier keine Verzögerung leisten kann und einen soliden Umsetzungsplan aufsetzen muss.

Frage:  Es zeichnet sich ab, dass die rechtlichen und inhaltlichen Anforderungen an den Nachhaltigkeitsbericht steigen werden, wodurch sich Finanz-, Compliance- und Controllingabteilungen stärker mit Nachhaltigkeitsthemen befassen müssen. Welche Empfehlungen können Sie für die Einbeziehung der Kolleg:innen geben?

Antwort: Zunächst müssen die Kolleginnen und Kollegen abgeholt werden. Oftmals scheitert es nämlich schon am Verständnis: Was ist unternehmerische Nachhaltigkeit? Oft werden mit dem Begriff verkürzt reine Klimaschutz- oder Vielfaltsthemen verbunden. Dass man hier, zumindest wenn man den Entwürfen der ESRS folgt, über 40 Subthemen in den Bereich Umwelt, Soziales und Governance (gute Unternehmensführung) betrachtet, die vielseitige Implikationen haben, wird oft erst nach intensiven Workshops und mit sehr detaillierten Antworten auf vielseitige Rückfragen verstanden. Hier ist natürlich, wie immer, die Einbindung des Vorstands und Top-Managements essenziell. Entsprechend erleben und begrüßen wir, dass immer mehr Verantwortliche bis C-Level an Terminen zur Nachhaltigkeitsregulatorik und -strategie teilnehmen, aktiv mitdiskutieren und die Thematik weiter antreiben wollen. Wenn die Basis des Wissens zur Bedeutung von ESG, zu regulatorischen Entwicklungen und der Wesentlichkeit für das Unternehmen gelegt wurde, dann geht es in die Definition der Rollen und nächsten Schritte – nicht nur für die Berichtslegung, sondern vor allem auch für das strategische Management. Denn mit den steigenden Anforderungen wird beides noch viel stärker miteinander verknüpft als bisher.

Frage: Mit der Pflicht zur Berichterstattung wird noch kein Unternehmen wirklich nachhaltiger. Wie gelingt es, den gesetzlichen Impuls zu nutzen und Nachhaltigkeit strategisch zu implementieren?

Antwort: Es gilt unternehmerische Nachhaltigkeit nicht als eine Kombination aus Berichtspflicht, Image-Thema und Purpose zu verstehen – sondern handfeste Strukturen aufzubauen, die an allen Stellen und in allen Fachbereichen klassische finanzielle Entscheidungsprozesse um nicht-finanzielle (ESG) Indikatoren ergänzen. Aber nicht als Selbstzweck, sondern weil nicht-finanzielle Themen wie Umweltschutz, Wahrung der Menschenrechte oder eine vielfältige Belegschaft starke Auswirkungen auf die finanzielle Performance und den langfristigen Erfolg von Unternehmen haben. Unweigerlich werden diese in den nächsten Jahren noch stärker und offensichtlicher. Dieser Einfluss erfolgt nicht nur durch Strafen und Regulatorik, sondern vor allem auch durch Markt- und Konsumdynamiken, Innovationen und Fachkräfte, die eine immer engere Verknüpfung von ESG-Themen mit dem Kerngeschäft fordern.

Moritz Sckaer ist Referent im Workshop Roadmap zum (CSRD konformen) Nachhaltigkeitsbericht

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Drei Fragen an Dr. Gisela Burckhardt

Drei Fragen an Dr. Gisela Burckhardt

Frage 1:  Seit vielen Jahre engagieren Sie sich u. a. für Frauenrechte und faire Arbeitsbedingungen in der Textilindustrie. Welche Veränderungen nehmen Sie hier wahr und welche Wirkungen erwarten Sie vom deutschen Lieferkettensorgfaltsgesetz? 

Dr. Burckhardt: Es hat sich viel getan in den letzten Jahren sowohl bei den Konsumentinnen, die ein höheres Bewusstsein haben und heute wissen wollen unter welchen Arbeitsbedingungen ein Kleidungsstück hergestellt wird und welche Umweltschäden damit verursacht werden. Aber auch den Unternehmen ist inzwischen klar, insbesondere mit der Verabschiedung des Lieferkettengesetzes (LKG), dass sie unternehmerische Sorgfaltspflichten für ihre Lieferkette haben. Auch diejenigen, die sich bisher nicht um das Thema gekümmert haben, sind nun gesetzlich dazu verpflichtet und hierzu hat stark das LKG beigetragen. 

Frage 2:  Die Bundesregierung hat in den Jahren 2018 bis 2020 die Umsetzung des Nationalen Aktionsplans Menschenrechte untersucht und ist zu dem (enttäuschenden) Ergebnis gekommen, dass weit weniger als 40 % der betroffenen Unternehmen mit mehr als 500 Mitarbeitern die freiwillige Selbstverpflichtung zur menschenrechtlichen Sorgfaltspflicht in der Lieferkette eingegangen und erfüllt haben. Das jetzige Lieferkettensorgfaltsgesetz verpflichtet nur Unternehmen ab 3000 Mitarbeitern (ab 2024 ab 1000 Mitarbeitern). Welche Ausstrahlungseffekte erwarten Sie für kleinere Unternehmen und wie können diese gestärkt werden? Was erwarten Sie von der kommenden EU-Gesetzgebung? 

Dr. Burckhardt: Auch wenn das deutsche LKG nur große Unternehmen in die Pflicht nimmt, hat dies Auswirkungen auf die kleineren Unternehmen, die ja oft die großen beliefern, weil die großen Unternehmen sie verpflichten, die Vorgaben des LKG einzuhalten. Derzeit werden z.B. fast überall die Verhaltenskodizes überarbeitet. Eine Unterstützung für alle Unternehmen, ob groß oder klein, bietet das Textilbündnis an, wo kostenlose Seminare angeboten und spezifische Leitlinien zu einzelnen Fragen erstellt werden. 

Die kommende EU-Gesetzgebung hat einen weiter reichenden Vorschlag für ein LKG gemacht, der u.a. auch zivilrechtliche Klagen von Betroffenen gegen Unternehmen in Europa ermöglicht. Auch berücksichtigt er besser Genderaspekte, hier hat das deutsche LKG große Lücken. Ich gehe davon aus, dass das deutsche LKG sich an die EU-Richtlinie anpassen muss. 

Frage 3: Ob sich für ein Unternehmen die Achtung der Menschen- und Arbeitsrechte in der Lieferkette auszahlt, hängt maßgelblich auch von der Kaufentscheidung des Konsumenten ab. Gerade bei Textilien scheinen jedoch andere Kriterien wie Preis, Aussehen und Mode entscheidender zu sein. Mit welchen Maßnahmen können Unternehmen ihre vielleicht vorbildliche Haltung den Endkunden kommunizieren? 

Dr. Burckhardt: Ausschlaggebend ist Transparenz. Unternehmen sollten mit Hilfe eines QR-Codes ihre Lieferkette für die Konsument*innen nachvollziehbar machen und auch im Detail die Arbeitsbedingungen auf der jeweiligen Stufe der Verarbeitung dokumentieren. Der Preis ist bei ökologisch und fair hergestellten Produkten nicht unbedingt viel höher, sondern hängt vor allem von der Menge ab. Grundsätzlich müssen wir aber weniger kaufen und es muss weniger produziert werden, weil kein Mensch mehr all die Kleidungsstücke tragen kann, rund die Hälfte wird ja vernichtet. Dies ist ein ökologischer Wahnsinn, schadet unserem Planeten und beutet insbesondere Frauen mit Hungerlöhnen aus. Das Wirtschaftsmodell muss von Grund auf verändert werden.

 Dr. Gisela Burckhardt ist Referentin im Workshop Berichterstattung im Rahmen des Lieferkettengesetzes

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Drei Fragen an Dr. Helge Wulsdorf

Drei Fragen an Dr. Helge Wulsdorf

Frage 1: Seit knapp 20 Jahren sind Sie Leiter Nachhaltige Geldlanlagen Ihrer Bank. Welchen Impuls versprechen Sie sich von der sozialen Taxonomie in Bezug auf die Wahrnehmung der sozialen Verantwortung von Unternehmen?  

Dr. Wulsdorf: Die soziale Taxonomie ist eine wichtige und notwendige Ergänzung der ökologischen Taxonomie. Nachhaltigkeit ist schließlich mehr als Umwelt und Klima. Soll Kapital für die Große Transformation mobilisiert werden, dürfen deren soziale Anforderungen nicht vernachlässigt werden. Die EU wird vor allem, aber nicht nur mit Blick auf Arbeits- und Menschenrechtsfragen definieren müssen, was nachhaltig ist und was nicht. In welche Richtung die Reise geht, zeigt sich beispielsweise anhand des so genannten Lieferkettengesetzes.  
 
Frage 2:Sie verantworten die Umsetzung der christlichen Wert(e)orientierung innerhalb ihrer Bank. Welches sind die drei größten Hürden, auf die Sie dabei stoßen?  

Dr. Wulsdorf: Die Regulatorik ist nicht zu unterschätzen, wohlwissend, dass sie der Motor für die derzeitige Dynamik von Sustainable Finance ist. Schwierig erweist sich allerdings, dass die Regulatorik von der Finanzwirtschaft Informationen und Bewertungen einfordert, die die Realwirtschaft zum Teil noch gar nicht bereitstellt inbesondere seitens kleiner und mittelständischer Unternehmen. Das gleiche Problem stellt sich in der Sozialwirtschaft, was vor allem uns als Kirchenbank betrifft. Darüber hinaus haben sich für den sozial-ökologischen Impact von Investitionen und Krediten bislang noch keine Standards durchgesetzt. Hier ist noch Luft nach oben.  
 
Frage 3:Aktuell wird diskutiert, die soziale Taxonomie in gleicher Weise wie die ökolgische Taxonomie auszugestalten und klare Regeln für sozial nachhaltige Wirtschaftstätigkeiten aufzustellen. Welche Chancen und welche Schwierigkeiten würden Sie erwarten, wenn man dieser Forderung nachkäme?  

Dr. Wulsdorf: Bei der Taxonomie geht es um Kriterien, anhand der man ökologische und soziale Nachhaltigkeit festmachen kann. In Bezug auf das Klima gibt es Indikatoren, die die Problematik abgreifen – etwa den CO2-Ausstoß. Bei sozialen Kriterien gestaltet sich das Problem deutlich schwieriger, zumal hier bislang wissenschaftlich fundierte, allgemein anerkannte Mess- und Bewertungsverfahren fehlen. Sie sind erforderlich, um das Thema Sustainable Finance weiter voranzubringen. Transparenz ist und bleibt hierfür einer der zentralen Bausteine. 

Dr. Helge Wulsdorf ist Referent im Workshop Die soziale Taxonomie – das unbekannte Wesen

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