Drei Fragen an Maren Krings

Drei Fragen an Maren Krings

Frage: Sie haben ein Buch über Hanf veröffentlicht. Warum ist Hanf spannend, wenn es um Climate Impact Storytelling geht? 

Die vielseitige Nutzung der Hanfpflanze öffnet ein breites Themenfeld. Das macht sie sehr spannend für Climate Impact Storytelling. Anhand der unterschiedlichen CO2-negativen Produkte, die man aus Hanf herstellen kann, ist es möglich eine Gegenüberstellung der Auslöser der sozio-ökologischen Krise mit potenziellen Lösungen zu bewirken. Der Klimakrise mit dem Ansatz von Problemlösungen zu begegnen, erschien mir weitaus effektiver, als den Fokus allein auf den negativen Auswirkungen zu belassen. Allerdings braucht es ein Framing der Zusammenhänge der einzelnen Faktoren der Krise, und das ist es was Climate Impact Storytelling ermöglicht. 

Frage: Was ist der Hintergrund Ihrer Gründung „Zentrum für Kunst und Humanität“ und was sind die Ziele? 

Die Gründung des Zentrums für Kunst und Humanität (CAH) wurde beeinflusst durch meine Erfahrungen im Zusammenleben und Arbeiten mit indigenen Völkern in meinen frühen Zwanzigern. Das CAH bietet eine Plattform, um sozialen und ökologischen Brennpunkten mit kreativen Lösungsansätzen zu begegnen. Seit der Gründung 2006 sind dort Ausstellungen kuratiert worden, wurden Kunstprojekte, wie WE AR’T, Künstlerresidenzen und Workshops für Kinder und Jugendliche umgesetzt. Das CAH hat in der Vergangenheit international eine moderne Schnittstelle zwischen „sozial engagierter Kunst“, den indigenen „traditionellen ökologischen Weisheiten“ und unseren modernen Herausforderungen der Klimakrise geschaffen. 

Frage: Welche Rolle spielen Bilder bei der Kommunikation zu Klimawandel und Klimaschutz? Was sind dabei aus Ihrer Sicht „Dos & Don’ts“? 

Bilder haben eine starke emotionale Kraft und eignen sich daher gut, um abstrakte und komplexe Themen emotional und verständlich zu kommunizieren. Die Klimakrise wird meistens mit Zahlen erklärt. Die Abwesenheit von Emotionen beim Empfänger hemmt den Willen in der aktiven Findung von Lösungen, zu denen wir alle beitragen können. 

Meiner Meinung nach braucht es jedoch eine informierte Bildsprache, die davon absieht, sich der einfachen Klischees des Eisbären auf der schmelzenden Eisscholle oder des rauchenden Industrieschornsteins zu bedienen. Im Einsatz von Bildern zur Kommunikation von Klimawandel und Klimaschutz ist es wichtig, die Macht von Worten zu erkennen. „Ein Bild ersetzt 1000 Worte“, das war gestern; heute muss der Fotograf Hintergrund und Fakten zu den Bildern liefern, die sicherstellen, dass der Betrachter sich seine eigenen Gedanken im Rahmen des Sachverhalts bilden kann. 

Maren Krings ist Referentin im Workshop Bildsprache in der Nachhaltigkeitskommunikation

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Drei Fragen an Sergei Bojew

Drei Fragen an Sergei Bojew

Frage: Beim Blick in die Startup Szene könnte der Eindruck entstehen, dass es kaum junge Unternehmen gibt, die nicht auch – mal mehr, mal weniger – ein Social Entrepreneurship Element in sich tragen. Teilen Sie diesen Eindruck (und was könnte Gründe dafür sein)? 

Die jüngere Generation ist mit deutlich mehr Bewusstsein für Problemstellung und Herausforderung unserer Welt aufgewachsen. Sie denken viel globaler und haben ein breites Wissen über wirtschaftliche, ökologische und soziale Zusammenhänge. Ich würde sagen, dass diese jungen Unternehmen und ihre Modell jetzt vollständiger werden: Sie sehen nicht nur die Zahl in der Excel-Tabelle, sondern wissen auch, was diese Zahl für Menschen und Natur bedeutet. 

Frage: In vielen Konzernen und größeren mittelständischen Unternehmen geht es im Moment oft um die „Suche“ nach dem Purpose. Ist das bei Social Businesses überflüssig? 

Das Schöne an Social Business ist, dass sie das WHY ihrer Unternehmung oft zu Beginn ihrer Gründungsphase beantwortet haben. Sie gründen sich, auch um ihr WHY, ihren Purpose auf finanziell stabile Beiden zu stellen. 

Frage: Aktuell droht eine wirtschaftliche Rezession. Werden die Zeiten für Social Entrepreneure jetzt besonders schwer? 

Das wird diesen Unternehmen nicht anders gehen, als allen anderen Unternehmen.  Aber man wird sicher Unterschiede feststellen.  Ein großer Teil der Sozialunternehmen haben Projekte, die nicht auf Konsum ausgerichtet sind.  Diese helfen u.a. auch dabei, gesellschaftliche, soziale und ökologische Herausforderungen der Gegenwart und der Zukunft zu bewältigen: Bspw. Herausforderungen der lokalen Klimapläne, der inklusiven Abeitsmodelle, Integration, lebenswerte Stadt / Land – bis hin zu den großen 17 SDGs. Ich denke, an dieser Stelle werden sich Unterschiede zeigen. 

Sergei Bojew ist Referent im Social Business: Modelle & Marken

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Drei Fragen an Claudia Maron

Drei Fragen an Claudia Maron

Frage: Für die soziale und ökologische Transformation der Wirtschaft und des eigenen Unternehmens bedarf es Kennzahlen und Bewertungsansätze zur Steuerung und Überwachung dieses   Prozesses. Hierfür hat sich der Begriff des „Green Controllings“ eingebürgert. Wie beurteilen Sie dessen momentanen Entwicklungsstand? 

Zielsetzung des Green Controllings ist es, ökonomische, soziale und ökologische Themen gleichwertig in der Unternehmensführung und -steuerung zu verankern. Wo stehen wir gerade? Nachhaltigkeit ist sehr häufig in Unternehmen in Nachhaltigkeits- und Kommunikationsabteilungen verankert. Dabei gehört nachhaltiges Engagement auf jede CFOs Agenda und damit auch auf die Roadmap von Controller:innen. Langsam beginnt der Change. Es gibt sogar eine berufsständische Vertretung. Der Fachkreis „Green Controlling“ des Internationalen Controllerverein (ICV) hat dieses Thema bereits 2011 aufgegriffen. Ende November werden die aktuellen Ergebnisse der 3. Studie zum Stand der Integration publiziert. Wer mehr wissen will, ist herzlich eingeladen (20. CCS am 24.11.2022, online, www.icv-controlling.com/ccs)  

Frage: Mit der Prüfpflicht steigen die Anforderungen an Aussagekraft und Verlässlichkeit der Angaben im Nachhaltigkeitsbericht und erfordern eine enge Abstimmung zwischen Nachhaltigkeitsmanagern und den Verantwortlichen für die interne und externe, finanzielle und nicht-finanzielle Kommunikation. Welche Hürden gilt es dabei zu überwinden? 

Eine der größten Hürden ist es, Awareness in den Unternehmen über alle Funktionseinheiten hinweg in Bezug auf die Aussagekraft und Verlässlichkeit der ökologischen und sozialen Informationen zu schaffen. Kennzahlen, die bisher ausschließlich intern berichtet wurden, müssen nun zum Wirtschaftsjahr vorliegen und können nachträglich nicht mehr geändert werden. Kommunikation und Marketing müssen sich mit Finance oder Controlling abstimmen, wenn sie unterjährig ökologische und soziale Themen berichten. Stimmige Zahlen, stimmige Botschaften. Das Positive: Greenwashing bekommt mehr und mehr seine Grenzen gesetzt.  

Frage: Welcher Stellenwert kommt den für Datensammlung und -verdichtung eingesetzten IT-Systemen zu? 

Den Stellenwert von IT- Systemen zum Management von nachhaltigen Daten kann man gar nicht hoch genug einschätzen. Klimaschutzziele der EU, CO2-Ziele, Sorgfaltspflichten in Lieferketten, Arbeitgeberattraktivität oder der Zugang zum Kapitalmarkt – eine Steuerung ohne nicht finanzielle Informationen wird nicht gelingen. Theoretisch wäre das auch nicht schwer. Was für den Euro gilt, gilt auch für ökologische und soziale Kennzahlen. Sie durchlaufen den normalen Steuerungskreislauf: von der Planung über Reporting bis hin zum Jahresabschluss oder Rating. IT-Systeme können heute kaufmännische Prozesse. Ökologische und soziale Datensammlungen finden in Excel statt. Und genau das ist die Herausforderung für die nächsten Jahre: Angebote für integrierte, nachhaltige IT-Lösungen zu schaffen!  

 

Claudia Maron ist Referentin im Workshop IT Unterstützung & Reporting

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Drei Fragen an Professsor Benjamin Müller

Drei Fragen an Professsor Benjamin Müller

Frage: Warum müssen sich Unternehmen in den letzten Jahren immer stärker mit digitaler Ethik oder der Wahrnehmung ihrer digitalen Verantwortung beschäftigen? 

Einerseits, weil digitale Technologien Eingang in immer mehr Unternehmensbereiche finden. In den letzten Jahren waren vor allem Themen wie virtuelle Zusammenarbeit und datengetriebene Entscheidungen maßgeblich dafür verantwortlich, dass es heute immer weniger nicht-digitale Arbeitsplätze und Tätigkeitsbereiche gibt. Doch nicht nur digitale Technologie ist ausschlaggebend, sondern auch ein immer häufiger beschworenes „Digital Mindset“ in Unternehmen. Dabei darf aber nicht das technisch Machbare ausschlaggebend sein, sondern vor allem Fragen nach betriebswirtschaftlich und gesellschaftlich nachhaltigen Lösungen im Vordergrund stehen. 

Andererseits müssen sich Entscheidungsträgerinnen und -träger in Unternehmen aber auch darauf einstellen, dass Ihre Stakeholder zunehmend Fragen nach der digitalen Unternehmensverantwortung stellen. Das gilt nicht nur für Kundinnen und Kunden, sondern auch Investorinnen und Investoren wollen wissen, wie ihr Geld angelegt ist. Zunehmend ist auch für junge, digital gut ausgebildete Fachkräfte wichtig, dass die Organisationen, in denen sie zukünftig arbeiten, sich durch verantwortungsvolles Handeln in einer digitalen Welt auszeichnen.  

Frage: Wo liegen die größten Herausforderungen auf dem Gebiet der digitalen Verantwortung? 

Das finden geeigneter ethischer Maßstäbe und Grundsätze ist für viele sehr anstrengend. Leider ist es nicht so, dass wir hier auf eine tausende Jahre alte Tradition zurückgreifen können. Viele Herausforderungen, mit denen wir uns heute konfrontiert sehen, müssen zumindest neu durchdacht und entsprechende Leitlinien erst entwickelt werden. Solche Leitlinien lassen sich nirgendwo runterladen, sondern müssen in oft sehr intensiver Arbeit mit allen relevanten Anspruchsgruppen erarbeitet werden. 

Und wenn entsprechende Leitlinien erst mal etabliert sind, müssen diese immer noch im Unternehmen umgesetzt werden. Fortschritte beim Thema CSR allgemein bereiten da sicher einen fruchtbaren Boden, doch die in der Breite oft noch nicht entwickelten digitalen Fähigkeiten führen oft noch zu Missverständnissen und Berührungsängsten. Das müssen Führungskräfte mit viel Energie und Feingefühl angehen, wenn digitale Unternehmensverantwortung nachhaltig Fuß fassen soll. 

Frage: Welche Maßstäbe stehen den Unternehmen zur Beurteilung ihrer digitalen Verantwortung zur Verfügung? 

Auch wenn die Zahl und der Detailgrad von entsprechenden Bezugsrahmen in den letzten beiden Jahren enorm gewachsen ist, eine universelle Antwort gibt es hier (noch) nicht. Auch hier ist der Austausch mit den Anspruchsgruppen zentral – im Unternehmen und darüber hinaus. Das gilt gleicher Maßen für die Inhalte (also: Welche Werte sind und im Kontext der digitalen Unternehmensverantwortung besonders wichtig?) als auch für die Umsetzung (also: Wie drückt es sich in unserem täglichen Handeln aus, dass wir einen speziellen Wert für wichtig erachten?). Für mich ist die Erklärbarkeit des eigenen und unternehmerischen Handelns dabei wichtig, denn nur so können sich relevante Anspruchsgruppen ein Bild machen, wie ernst es mir mit dem Thema der digitalen Unternehmensverantwortung ist. 

Prof. Dr. Benjamin Müller ist Referent im Workshop Corporate Digital Responsibility in der Kommunikation

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Drei Fragen an Stephan Bongwald

Drei Fragen an Stephan Bongwald

Frage: Wie ist ihr heutiger Blick auf die Entwicklung und die Anwendung der EU-Taxonomie?  

Seit 2008 begleite ich Nachhaltigkeitsthemen beruflich und aus privaten Interesse schon viel länger. Immer wieder wurde bei Ereignissen wie beispielsweise das Reaktorunglück in Fukushima im Jahr 2011 Nachhaltigkeit als Megatrend oder unbedingtes Muss ausgerufen. Aber zu wenig ist passiert. Erst der europäische Green Deal mit der Schaffung von notwendigen gesetzlichen Rahmenbedingungen soll den Weg zu einem nachhaltigen und ab 2050 klimaneutralen Europa ebnen. Die Taxonomie sehe ich als wesentlichen Meilenstein an, der Nachhaltigkeit definiert, also genau sagt, was auf Nachhaltigkeitsziele einzahlt oder eben nicht. Die extreme Schnelligkeit der Umsetzung der Taxonomie von den Gesetzen in die Unternehmen hinein ist eine große Hürde, die wir alle nehmen müssen. Dies ist für uns alle – egal wie man bisher aufgestellt war – nicht mal eben umzusetzen. Diese Schnelligkeit wird aber gefordert und sie ist notwendig, wenn wir den Klimawandel verlangsamen wollen. 

Frage: Wo liegen die Hürden bei der Ermittlung der Taxonomie-Kennzahlen?  

Wie gesagt, ist die Schnelligkeit der Umsetzung eine große Hürde. Erst kam die Transparenz-Verordnung (SFDR), die die Offenlegung von Nachhaltigkeit für Finanzprodukte fordert. Die technischen Regulierungsstandards, die die inhaltliche Ausgestaltung bedeuten, wurden immer wieder verschoben und kommen mit einem zeitlichen Verzug von über zwei Jahren. Dennoch mussten die Unternehmen Gesetze umsetzen. Man hat teilweise das Gefühl, dass man sich selbst rechts überholt. 

Die ökologische Taxonomie hat einen ähnlichen zeitlichen Versatz. Die ersten beiden Umweltziele Maßnahmen zum Klimaschutz und Anpassung an den Klimawandel sind schon in Kraft getreten. Die weiteren vier Umweltziele mit nachhaltiger Nutzung und Schutz der Wasser- und Meeresressourcen, Übergang zu einer Kreislaufwirtschaft, Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung sowie Schutz und Wiederherstellung der biologischen Vielfalt und der Ökosysteme werden erst noch in Kraft treten. Diese Beispiele zeigen schon die großen Hürden bei der Ermittlung von Kennzahlen.  

Als Versicherung haben wir die ersten Kennzahlen zur Taxonomiefähigkeit in unseren nichtfinanziellen Berichten für das Jahr 2021 berichten müssen. Da der Gesetzgeber die Anpassung an den Klimawandel für die Versicherer als wesentliches Thema und Umweltziel sieht, mussten wir dazu berichten, d. h. wie hoch sind Investitionen und wie zahlen die Nicht-Lebensversicherungsprodukte auf dieses Taxonomieziel ein. Das Gesetz und deren Auslegung brachte aber viel Interpretationsspielraum mit sich, ohne eine Hilfestellung zu haben, an der man sich orientieren konnte. Im Rückblick können wir festhalten, dass wir ganz gut mit unserer Einschätzung lagen und die Versicherungsbranche ähnlich berichtet hat. Eine Vergleichbarkeit ist derzeit dennoch mit Vorsicht zu genießen. Durch den Interpretationsspielraum sagen die Kennzahlen noch nicht viel darüber aus, wie Unternehmen derzeit in Bezug auf ihre Umweltleistung aufgestellt sind. 

Frage: Welche richtungsweisenden Entwicklungen sehen Sie bei der Harmonisierung der Offenlegung von Nachhaltigkeitsdaten? 

Ich bin überzeugt davon, dass die europäische Taxonomie einen wesentlichen Meilenstein darstellt, um den Green Deal umzusetzen. Die Taxonomie wird noch um Ziele zu Soziales und guter Unternehmensführung vervollständigt. Damit arbeitet Europa konsequent auf die Sustainable Development Goals (SDGs) hin und kommt damit der international eingegangenen Verpflichtungen aller europäischen Länder nach. Dabei will ich unbedingt noch erwähnt haben, dass bei den SDGs auch von der Agenda 2030 gesprochen wird, d. h. dass wir nur noch acht Jahre Zeit haben, um die Ziele zu erfüllen. Da wären wir wieder beim Thema Schnelligkeit. 

Für mich sind weitere zwei Gesetze von entscheidender Bedeutung bei der Harmonisierung der Daten: 1. Die Weiterentwicklung der Nachhaltigkeitsberichterstattung über die CSR-Directive mit eigenen Kennzahlenwerken und 2. der ESAP (European Single Access Point), d. h. eine Datenbank, die mit Nachhaltigkeitskennzahlen von mindestens über 50.000 europäischen Unternehmen kostenlos bereitstellt. Warum so viele Unternehmen? Weil diese bald über die CSR-Directive zur Nachhaltigkeitsberichterstattung verpflichtet sind.  

Mein Aufruf an alle: Beschäftigen Sie sich ab sofort mit diesen Themen aus zwei Gründen! 

  1. Der Klimawandel wartet nicht und die Kipppunkte sind bald erreicht, an dem wir große Probleme bekommen werden. 
  1. Sie werden die regulatorischen Anforderungen unter keinen Umständen mal eben umsetzen können und auch bei einer Umsetzung berichten Sie nur und haben noch nichts an Nachhaltigkeit vollbracht. 

http://nachhaltige.versicherung  

Stephan Bongwald ist Referent im Workshop Taxonomie in der Praxis – Erste Erfahrungen

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Drei Fragen an Lioba Schwarzer, Oroverde

Drei Fragen an Lioba Schwarzer, Oroverde

 

Frage: Worum geht es bei dem Stichwort „Entwaldungsfreie Lieferketten“ und warum ist das für Unternehmen relevant? 

Schwarzer: Für den Anbau und die Produktion zahlreicher Rohstoffe werden weltweit Wälder zerstört. Die EU importiert mit Waren wie Soja, Palmöl, Rindfleisch, aber auch Kaffee, Kakao und Kautschuk Entwaldung, und das im großen Stil: Durch den internationalen Handel mit Agrarrohstoffen ist die EU für 16% der weltweiten Entwaldung verantwortlich. Das hat enorme Auswirkungen auf die beiden größten ökologischen Herausforderungen unserer Zeit: die Biodiversitätskrise und die Klimakrise. Glücklicherweise hat die EU erkannt, dass es Zeit ist zu handeln, und stimmt derzeit im Trilog zwischen Kommission, Rat und Parlament über einen Verordnungsvorschlag ab, der den Handel von mit Entwaldung behafteter Ware verbieten soll.  

Frage: Warum braucht es die neue EU-Verordnung zu entwaldungsfreien Lieferketten? 

Schwarzer: Das Thema Entwaldung ist der Wirtschaft, Politik und Zivilgesellschaft schon lange Zeit bekannt, doch die bisherigen Maßnahmen beruhten nur auf Freiwilligkeit. Regierungen haben Abkommen unterzeichnet, die aber kaum Folgen mit sich gebracht haben, Unternehmen haben Selbstverpflichtungen festgelegt und sich größtenteils auf Zertifizierungen verlassen, und die Bevölkerung konnte sich nur blind auf eben diese Siegel verlassen. Die Entwaldung, die laut Abkommen und Selbstverpflichtungen bis 2020 beendet sein sollte, ist weiter fortgeschritten, in manchen Ländern sogar explodiert. Jährlich verlieren wir weltweit laut FAO 10,2 Mio. ha Wald – das ist in etwa so viel Wald, wie es ihn in Deutschland noch gibt.  Auch im letzten Jahr haben wir laut World Ressources Institute 3,75 Mio. ha tropischen Primärwald verloren, und dabei 2,5 Gt CO2 emittiert – so viel, wie Indien jährlich durch die Verbrennung fossiler Brennstoffe freisetzt. Mit einer Verordnung kommt nun endlich Verbindlichkeit, und es werden gleiche Wettbewerbsbedingungen für alle geschaffen.  

Frage: Was sollten Unternehmen tun, um zum Ziel entwaldungsfreier Lieferketten beizutragen? 

Schwarzer: In erster Linie müssen sie mit ihren Lieferanten ins Gespräch kommen und erfahren, woher genau ihre Ware kommt. Das ist leider nicht immer trivial, aber es gibt glücklicherweise mittlerweile zahlreiche Unterstützungmöglichkeiten für Unternehmen. Eine, die genau auf deutsche KMUs zugeschnitten ist, möchte ich gerne beim Nachhaltigkeitskongress vorstellen.    

Lioba Schwarzer ist Gastgeberin des Thementisches Entwaldungsfreie Lieferketten

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