Drei Fragen an Richard Green und Jan Dirk Kemming

Drei Fragen an Richard Green und Jan Dirk Kemming

Frage: Welche Rolle spielt die Marke als Tool und Methode in Nachhaltigkeitsmanagement und –kommunikation?  

Antwort: Die Marke ist eines der wichtigsten Assets im Bemühen um eine klare, sichtbare und konsequente Positionierung eines Unternehmens in Fragen der Nachhaltigkeit. In einem umfassenden Verständnis ist die Marke Kristallisationspunkt der gesamten Bandbreite von Stakeholder-Interessen und sendet verdichtete Signale zu Haltung und Identität. So dient die Marke z.B. Konsumenten zur Orientierung und Identifikation in unübersichtlichen Zeiten, und Unternehmen als Instrument der Differenzierung im Wettbewerb. Zugleich hilft eine mit Nachhaltigkeitsthemen aufgeladene (Employer) Brand bei der Orientierung im Arbeitsmarkt oder unterstützt Investitionsentscheidungen auf dem Kapitalmarkt.  

 Frage: Worauf ist bei der Markenführung im Bereich Nachhaltigkeit zu achten?  

Antwort: Zunächst braucht Nachhaltigkeit ein gewinnendes Narrativ, also eine Zusammenfassung von historischer Herkunft, aktuellem Anspruch und zukünftiger Perspektive einer ESG-Agenda für die Marke. Dieses Narrativ muss authentisch und transparent sein und sich an den Bedürfnissen der Verbraucher und ihren Erwartungen an die Marken, in die sie investieren, orientieren. Jede Marke hat zudem eine spezifische Tonalität, Bildsprache oder digitale oder physische Erlebbarkeit und sollte diese auch für das Thema Nachhaltigkeit so ausarbeiten, dass sie sich sowohl aus dem anwachsenden „Sea of Sameness“ im Bereich Nachhaltigkeit mit sehr stereotypen Symbolen und Phrasen hervorhebt. Eine zentrale Bedingung ist dabei die Transparenz und Nachvollziehbarkeit der Positionierung, offensichtlich in Abgrenzung von ungerechtfertigten Markenclaims im Greenwashing-Verdacht.  

Frage: Wie schätzen Sie die Bedeutung von Marke in den nächsten Jahren ein für das Thema Nachhaltigkeit?   

Antwort: Unserer Ansicht nach wird die Marke zu einem der wichtigsten Handlungsfelder im Bereich Nachhaltigkeit auch mit Blick auf die politischen Ziele und Rahmenbedingungen. Wir registrieren die zunehmende Erwartung, Konsumenten mit gut informierten Entscheidungen zu zentralen Teilhabern der Nachhaltigkeitsbemühungen von Unternehmen zu machen. Unter #ConsumerEmpowerment ist diese Perspektive auch expliziter Bestandteil des Green Deals der EU-Kommission. Die Marke ist seit vielen Jahren das herausragende und hocheffiziente Instrument zur Orientierung von Verbrauchern und stellt so einen entscheidenden Hebel dar, politische Zielkorridore in Alltagshandlungen zu übersetzen.   

Richard Green und Jan Dirk Kemming sind Referenten im Workshop Marke und Nachhaltigkeit 

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Drei Fragen an Dr. Gisela Burckhardt

Drei Fragen an Dr. Gisela Burckhardt

Frage 1:  Seit vielen Jahre engagieren Sie sich u. a. für Frauenrechte und faire Arbeitsbedingungen in der Textilindustrie. Welche Veränderungen nehmen Sie hier wahr und welche Wirkungen erwarten Sie vom deutschen Lieferkettensorgfaltsgesetz? 

Dr. Burckhardt: Es hat sich viel getan in den letzten Jahren sowohl bei den Konsumentinnen, die ein höheres Bewusstsein haben und heute wissen wollen unter welchen Arbeitsbedingungen ein Kleidungsstück hergestellt wird und welche Umweltschäden damit verursacht werden. Aber auch den Unternehmen ist inzwischen klar, insbesondere mit der Verabschiedung des Lieferkettengesetzes (LKG), dass sie unternehmerische Sorgfaltspflichten für ihre Lieferkette haben. Auch diejenigen, die sich bisher nicht um das Thema gekümmert haben, sind nun gesetzlich dazu verpflichtet und hierzu hat stark das LKG beigetragen. 

Frage 2:  Die Bundesregierung hat in den Jahren 2018 bis 2020 die Umsetzung des Nationalen Aktionsplans Menschenrechte untersucht und ist zu dem (enttäuschenden) Ergebnis gekommen, dass weit weniger als 40 % der betroffenen Unternehmen mit mehr als 500 Mitarbeitern die freiwillige Selbstverpflichtung zur menschenrechtlichen Sorgfaltspflicht in der Lieferkette eingegangen und erfüllt haben. Das jetzige Lieferkettensorgfaltsgesetz verpflichtet nur Unternehmen ab 3000 Mitarbeitern (ab 2024 ab 1000 Mitarbeitern). Welche Ausstrahlungseffekte erwarten Sie für kleinere Unternehmen und wie können diese gestärkt werden? Was erwarten Sie von der kommenden EU-Gesetzgebung? 

Dr. Burckhardt: Auch wenn das deutsche LKG nur große Unternehmen in die Pflicht nimmt, hat dies Auswirkungen auf die kleineren Unternehmen, die ja oft die großen beliefern, weil die großen Unternehmen sie verpflichten, die Vorgaben des LKG einzuhalten. Derzeit werden z.B. fast überall die Verhaltenskodizes überarbeitet. Eine Unterstützung für alle Unternehmen, ob groß oder klein, bietet das Textilbündnis an, wo kostenlose Seminare angeboten und spezifische Leitlinien zu einzelnen Fragen erstellt werden. 

Die kommende EU-Gesetzgebung hat einen weiter reichenden Vorschlag für ein LKG gemacht, der u.a. auch zivilrechtliche Klagen von Betroffenen gegen Unternehmen in Europa ermöglicht. Auch berücksichtigt er besser Genderaspekte, hier hat das deutsche LKG große Lücken. Ich gehe davon aus, dass das deutsche LKG sich an die EU-Richtlinie anpassen muss. 

Frage 3: Ob sich für ein Unternehmen die Achtung der Menschen- und Arbeitsrechte in der Lieferkette auszahlt, hängt maßgelblich auch von der Kaufentscheidung des Konsumenten ab. Gerade bei Textilien scheinen jedoch andere Kriterien wie Preis, Aussehen und Mode entscheidender zu sein. Mit welchen Maßnahmen können Unternehmen ihre vielleicht vorbildliche Haltung den Endkunden kommunizieren? 

Dr. Burckhardt: Ausschlaggebend ist Transparenz. Unternehmen sollten mit Hilfe eines QR-Codes ihre Lieferkette für die Konsument*innen nachvollziehbar machen und auch im Detail die Arbeitsbedingungen auf der jeweiligen Stufe der Verarbeitung dokumentieren. Der Preis ist bei ökologisch und fair hergestellten Produkten nicht unbedingt viel höher, sondern hängt vor allem von der Menge ab. Grundsätzlich müssen wir aber weniger kaufen und es muss weniger produziert werden, weil kein Mensch mehr all die Kleidungsstücke tragen kann, rund die Hälfte wird ja vernichtet. Dies ist ein ökologischer Wahnsinn, schadet unserem Planeten und beutet insbesondere Frauen mit Hungerlöhnen aus. Das Wirtschaftsmodell muss von Grund auf verändert werden.

 Dr. Gisela Burckhardt ist Referentin im Workshop Berichterstattung im Rahmen des Lieferkettengesetzes

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Drei Fragen an Dr. Helge Wulsdorf

Drei Fragen an Dr. Helge Wulsdorf

Frage 1: Seit knapp 20 Jahren sind Sie Leiter Nachhaltige Geldlanlagen Ihrer Bank. Welchen Impuls versprechen Sie sich von der sozialen Taxonomie in Bezug auf die Wahrnehmung der sozialen Verantwortung von Unternehmen?  

Dr. Wulsdorf: Die soziale Taxonomie ist eine wichtige und notwendige Ergänzung der ökologischen Taxonomie. Nachhaltigkeit ist schließlich mehr als Umwelt und Klima. Soll Kapital für die Große Transformation mobilisiert werden, dürfen deren soziale Anforderungen nicht vernachlässigt werden. Die EU wird vor allem, aber nicht nur mit Blick auf Arbeits- und Menschenrechtsfragen definieren müssen, was nachhaltig ist und was nicht. In welche Richtung die Reise geht, zeigt sich beispielsweise anhand des so genannten Lieferkettengesetzes.  
 
Frage 2:Sie verantworten die Umsetzung der christlichen Wert(e)orientierung innerhalb ihrer Bank. Welches sind die drei größten Hürden, auf die Sie dabei stoßen?  

Dr. Wulsdorf: Die Regulatorik ist nicht zu unterschätzen, wohlwissend, dass sie der Motor für die derzeitige Dynamik von Sustainable Finance ist. Schwierig erweist sich allerdings, dass die Regulatorik von der Finanzwirtschaft Informationen und Bewertungen einfordert, die die Realwirtschaft zum Teil noch gar nicht bereitstellt inbesondere seitens kleiner und mittelständischer Unternehmen. Das gleiche Problem stellt sich in der Sozialwirtschaft, was vor allem uns als Kirchenbank betrifft. Darüber hinaus haben sich für den sozial-ökologischen Impact von Investitionen und Krediten bislang noch keine Standards durchgesetzt. Hier ist noch Luft nach oben.  
 
Frage 3:Aktuell wird diskutiert, die soziale Taxonomie in gleicher Weise wie die ökolgische Taxonomie auszugestalten und klare Regeln für sozial nachhaltige Wirtschaftstätigkeiten aufzustellen. Welche Chancen und welche Schwierigkeiten würden Sie erwarten, wenn man dieser Forderung nachkäme?  

Dr. Wulsdorf: Bei der Taxonomie geht es um Kriterien, anhand der man ökologische und soziale Nachhaltigkeit festmachen kann. In Bezug auf das Klima gibt es Indikatoren, die die Problematik abgreifen – etwa den CO2-Ausstoß. Bei sozialen Kriterien gestaltet sich das Problem deutlich schwieriger, zumal hier bislang wissenschaftlich fundierte, allgemein anerkannte Mess- und Bewertungsverfahren fehlen. Sie sind erforderlich, um das Thema Sustainable Finance weiter voranzubringen. Transparenz ist und bleibt hierfür einer der zentralen Bausteine. 

Dr. Helge Wulsdorf ist Referent im Workshop Die soziale Taxonomie – das unbekannte Wesen

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Drei Fragen an Gesa Vögele

Drei Fragen an Gesa Vögele

Frage 1:  In unseren ersten Kontakten erzählten Sie davon, dass Ihnen die soziale Taxonomie besonders am Herzen läge. Warum ist das so? 

Vögele: Angesichts der komplexen sozio-ökologischen Krise unserer Zeit ist es zentral, sich zu vergegenwärtigen, dass Lösungen nur dann funktionieren können, wenn beides – Soziales und Ökologisches – zusammengedacht wird. Für Sustainable Finance ist eine soziale Taxonomie als Ergänzung der bestehenden ökologischen daher essenziell.

Frage 2:  Welches werden nach Ihrer Meinung die größten Hürden zur Erfüllung der (sozialen) Taxonomie-Kriterien für die Unternehmen werden und wie sollten sie sich darauf einstellen? 

Vögele: Diese Frage sollte meines Erachtens so gestellt werden: Welche Hürden entstehen ohne eine – natürlich bestmöglich praktikabel ausgestaltete – soziale Taxonomie? Ein Klassifikationssystem für sozial-nachhaltige Wirtschaftstätigkeiten bietet Unternehmen viele Chancen.

Frage 3: Auch heute wissen Verbraucher, dass es bei einem T-Shirt für wenige Euros sowohl im Sinne der Umwelt als auch der sozialen Standards nicht mit rechten Dingen zugehen kann. Dennoch werden sie gekauft. Woher nehmen sie die Hoffnung, dass der Finanzmarkt anders reagiert und Finanzierung verweigert/verteuert, wenn nur kleine Teile der Unternehmensaktivitäten den sozialen Taxonomiekriterien entsprechen? 

Vögele: Allein auf den Finanzmarkt zu setzen, wäre der falsche Ansatz. Nichtsdestotrotz spielt dieser – im Kanon mit anderen Maßnahmen – eine wichtige Rolle für eine nachhaltige Entwicklung. Wenn Sustainable Finance und speziell eine sozial-nachhaltige Taxonomie als ein Instrument in einem Werkzeugkasten verschiedener Maßnahmen gedacht wird und auch andere aktiv genutzt und eingesetzt werden, dann gibt es Anlass zu Hoffnung.

Gesa Vögele ist Referentin im Workshop Die soziale Taxonomie – das unbekannte Wesen

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Drei Fragen an Dr. Lothar Rieth

Drei Fragen an Dr. Lothar Rieth

Frage 1: Wie ist ihr heutiger Blick auf die Entwicklung und die Anwendung der EU-Taxonomie? 

Dr. Rieth: Die EU-Taxonomie ist ein Instrument, das Stakeholder von Unternehmen eine bisher noch nie gekannte Transparenz über den Umfang von ökologisch nachhaltigen Aktivitäten bietet. Insbesondere in jenen bislang stark CO2-intensiven Branchen werden von Unternehmen aussagekräftige, umfassende Information zu Capex, sprich zu Investitionen in die Zukunftsfähigkeit von Unternehmen bereitgestellt. Es bleibt den Finanzmarktakteuren vorbehalten zu bewerten, welche Unternehmen als gut aufgestellt gelten, und somit als Investitionsobjekte besonders attraktiv sind. 

Frage 2: Wo liegen die Hürden bei der Ermittlung der Taxonomie-Kennzahlen? 

Dr. Rieth: Unternehmen befinden sich seit zwei Jahren  noch in der Erprobungsphase der EU-Taxonomie-Verordnung. Im ersten Schritt geht es vor allem um die Auslegung, wann ein substanzieller Beitrag zu den EU-Umweltzielen vorliegt. Im zweiten Schritt steht die genaue Bestimmung der Finanzkennzahlen Capex, Opex und Umsatz im Fokus. Wir gehen davon aus, dass sich insbesondere über eine vertiefte Abstimmung und Erfahrungswerte in den Branchen einheitliche Auslegungen für die Nachhaltigkeitsbewertung von Unternehmensaktivitäten sowie für die Bestimmung der Finanzkennzahlen herauskristallisieren. 

Frage 3: Welche richtungsweisenden Entwicklungen sehen Sie bei der Harmonisierung der Offenlegung von Nachhaltigkeitsdaten? 

Dr. Rieth: Wir gehen davon, dass sich Investoren – in Abhängigkeit von der jeweiligen Branche – auf ausgewählte Finanzkennzahlen konzentrieren werden. Insbesondere in der Energiewirtschaft mit großen Assets und umfassenden Handels- und Vertriebsaktivitäten ist der Mehrwert von Opex- und Umsatz-Kennzahlen begrenzt, die Capex-Werte aber umso wichtiger. Mittelfristig erwarten wird, dass sich unter Umständen zusätzlich Ergebnis-Kennzahlen, wie Ebitda eine weitere interessante Größe darstellen könnten. 

Dr. Lothar Rieth ist Referent im WorkshopTaxonomie in der Praxis – Erste Erfahrungen

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Drei Fragen an Carel Mohn

Drei Fragen an Carel Mohn

Frage 1: Wie sehen Sie die Rolle von Fotos und Bildsprache in der Kommunikation, Berichterstattung und Diskussionen über Herausforderungen und Lösungen im Nachhaltigkeitskontext? 

Mohn: Für Fotos, Bilder oder Videos in der Nachhaltigkeitskommunikation gilt das gleiche wie für Wort, Text oder non-verbale Mittel der Kommunikation: Es geht darum, Fotos und Bildsprache überlegt und gezielt einzusetzen. Und im Nachhaltigkeitskontext wage ich die Aussage: ohne einen Werte-Bezug wird Kommunikation nicht gelingen. 

Frage 2: Wird Bildsprache Ihrer Erfahrung nach strategisch oder gar manipulativ eingesetzt in der unternehmerseitigen Nachhaltigkeitskommunikation beziehungsweise medialen Berichterstattung über ökologische Nachhaltigkeit? 

Mohn:  Wie manipulativ ist es, wenn Verkehrsampeln rot sind – weil wir evolutionär gelernt haben, rot mit Gefahr zu verbinden? 

Frage 3: Wie sehen Sie den zukünftigen Stellenwert von statischen oder bewegten Bildern und visuellen Darstellungen im Zusammenhang mit Fakten-basierter Klimakommunikation? 

Mohn:  Vergesst die Fakten. Menschen verwerfen selbst die klarsten Fakten, wenn sie nicht mit ihren Werten übereinstimmen. Daran können auch Bilder wenig ändern, egal ob bewegt oder nicht. 

 

Carel Mohn ist Referent im Workshop Bildsprache in der Nachhaltigkeitskommunikation

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